Pflichtteil im Erbrecht: Geschichte, Grundlagen, internationale Unterschiede und Gestaltungsmöglichkeiten

Wenn jemand „enterbt“ wird, bedeutet das im deutschen Recht noch lange nicht, dass er leer ausgeht. Der sogenannte Pflichtteil sorgt dafür, dass bestimmte nahe Angehörige trotz Enterbung einen Mindestanteil am Erbe in Geld verlangen können. Doch woher kommt dieser Anspruch eigentlich? Wer ist überhaupt pflichtteilsberechtigt, wie hoch ist der Pflichtteil und wie kann man ihn vielleicht sogar gezielt umgehen? Ein Überblick.

1. Herkunft und Grundgedanke des Pflichtteilsrechts

Das Pflichtteilsrecht hat eine lange Tradition. Bereits im Römischen Recht gab es das Prinzip, dass nahe Angehörige nicht ohne guten Grund leer ausgehen sollten. Diese Grundidee hat sich durchgesetzt: Der Pflichtteil soll einerseits die Testierfreiheit des Erblassers sichern, andererseits aber den familiären Zusammenhalt zumindest wirtschaftlich wahren. Einfach gesagt: Wer enge Verwandte komplett vom Erbe ausschließt, muss ihnen zumindest einen Geldbetrag auszahlen lassen.

Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist dieser Anspruch seit 1900 verankert – und bis heute ein häufiger Streitpunkt in der Nachlassabwicklung.

2. Wer ist pflichtteilsberechtigt – und wie hoch ist der Anspruch?

Pflichtteilsberechtigt sind im Wesentlichen:

  • Kinder des Erblassers (und falls diese vorverstorben sind: deren Kinder)
  • Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner
  • Eltern des Erblassers, allerdings nur, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind

Geschwister, Onkel, Tanten, Freunde oder Lebensgefährten ohne Trauschein gehören nicht zu den Pflichtteilsberechtigten.

Die Höhe des Pflichtteils entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ein Beispiel:

Ein Erblasser hinterlässt zwei Kinder, setzt aber nur eines davon im Testament als Alleinerben ein. Das andere Kind erhält dann einen Pflichtteil in Höhe von ¼ des Nachlasswertes (weil ihm gesetzlich ½ zustehen würde, der Pflichtteil aber nur die Hälfte davon ist).

Wichtig: Der Pflichtteil wird nicht automatisch ausgezahlt. Er muss aktiv eingefordert werden – und zwar in Geld. Sachwerte, Immobilien oder Beteiligungen können vom Pflichtteilsberechtigten nicht verlangt werden.

3. Pflichtteil im internationalen Vergleich

Was für uns selbstverständlich wirkt, ist in anderen Ländern ganz anders geregelt – oder gar nicht vorhanden. Ein kurzer Blick über die Grenze zeigt:

  • In FrankreichSpanien oder Italien gibt es ähnliche Pflichtteilsrechte, dort oft sogar mit einer noch stärkeren Bindung an die Familie.
  • In Großbritannien herrscht weitgehende Testierfreiheit. Pflichtteile können unter bestimmten Voraussetzungen geltend gemacht werden, sind aber kein Automatismus.
  • In der Türkei gibt es nach aktuellem Recht kein echtes Pflichtteilsrecht – dort kann der Erblasser frei über sein Vermögen verfügen, ohne dass nahe Angehörige zwingend etwas erhalten müssen.

Gerade bei binationalen Familien oder Immobilienbesitz im Ausland kann das zu erheblichen Problemen führen – und zu einer Menge Klärungsbedarf.

4. Pflichtteil umgehen? Ja, aber bitte mit Plan

So mancher Erblasser möchte nicht, dass bestimmte Personen am Nachlass beteiligt werden. Und fragt sich dann: Kann man den Pflichtteil nicht einfach ausschalten?

Die ehrliche Antwort lautet: Ganz verhindern lässt sich der Pflichtteil nur schwer. Aber: Das deutsche Erbrecht kennt viele Gestaltungsmöglichkeiten, um den Pflichtteilsanspruch zu reduzieren oder wirtschaftlich zu entschärfen.

Dazu gehören zum Beispiel:

  • Schenkungen zu Lebzeiten, wenn sie rechtzeitig erfolgen (Stichwort 10-Jahresfrist)
  • Verkäufe an Freunde oder Familienmitglieder, ggf. mit Ratenzahlung oder Nießbrauchvorbehalt
  • Pflichtteilsverzichte gegen Abfindung, notariell beurkundet
  • Testamentsvollstreckung zur Vermeidung von Zwangsveräußerung

Was genau möglich und sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren ab. Pauschale Lösungen gibt es nicht – aber kluge Konzepte schon.

Lassen Sie sich beraten, bevor es andere tun

Wer vermeiden möchte, dass sein Nachlass zu einem juristischen Schlachtfeld wird, sollte rechtzeitig vorsorgen. Ob Pflichtteilsberechtigter, Erbe oder Erblasser: Die richtigen Regelungen zu finden, ist oft komplex – aber machbar.

Ich berate Sie gern – kompetent, klar und auf Ihre Lebenssituation zugeschnitten.

Schreibe einen Kommentar