Pflichtteil umgehen – Ein Fall aus der Praxis zeigt kreative Gestaltungsmöglichkeiten

In meiner anwaltlichen Beratungspraxis begegnet mir regelmäßig ein Wunsch, der juristisch besonders sensibel ist: Der Wunsch von Eltern, ein Kind – aus welchen Gründen auch immer – nicht am eigenen Nachlass zu beteiligen. Dabei ist vielen gar nicht bewusst, wie tief das Pflichtteilsrecht in Deutschland verwurzelt ist und wie schwer es tatsächlich ist, dieses zu umgehen. Aber: Es ist nicht unmöglich. Ein aktueller Fall aus meiner Kanzlei zeigt, dass es durchaus rechtssichere Gestaltungsmöglichkeiten gibt – wenn man bereit ist, genauer hinzuschauen.

In dem konkreten Fall handelte es sich um ein kinderloses Ehepaar. Kinderlos? Nur auf den ersten Blick. Denn der Ehemann hatte aus erster Ehe einen Sohn, zu dem jedoch seit vielen Jahren kein Kontakt mehr bestand. Dieser Sohn sollte nach dem Willen des Ehepaars keinerlei Erbanspruch erhalten. Stattdessen sollte der Nachlass nach dem Tod beider Ehegatten an einen Neffen der Ehefrau gehen. Das Ehepaar lebte von einem beträchtlichen Immobilienvermögen, das durch Mieteinnahmen regelmäßig Einkommen generierte.

Die Herausforderung: Das Ehepaar hatte bereits ein Berliner Testament errichtet – also eine gegenseitige Erbeinsetzung mit Schlusserbeneinsetzung des Neffen. Eine typische und weit verbreitete Konstellation. Doch dieses Testament hatte einen Haken: Stirbt der Ehemann zuerst, wäre sein Sohn durch das Testament enterbt – und könnte seinen Pflichtteil geltend machen. Und dieser Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch, der sofort fällig wird. Der Sohn könnte also verlangen, dass der Pflichtteil in bar ausbezahlt wird – mit der Konsequenz, dass womöglich Immobilien veräußert werden müssten, um diese Summe aufzubringen.

Die Mandanten wollten genau das vermeiden – und suchten eine andere Lösung. Im Laufe der Beratung arbeiteten wir mehrere Varianten durch. Möglich wäre etwa eine Übertragung von Immobilien bereits zu Lebzeiten unter Nießbrauchvorbehalt, um so die Pflichtteilsmasse zu verringern. Auch eine gemeinnützige Stiftung als Schlusserbin wurde in Erwägung gezogen, denn hier kann man durch gezielte Gestaltung sogar Pflichtteilsergänzungsansprüche vermeiden. Doch keine dieser Lösungen passte wirklich auf die Lebensrealität des Ehepaares.

Am Ende entschieden sich die Mandanten für einen ganz anderen Weg – einen, der auf den ersten Blick ungewöhnlich, aber juristisch hochinteressant ist: Der Ehemann übertrug bereits jetzt den Großteil seines Immobilienvermögens auf seine Ehefrau – natürlich mit einem umfassenden Nießbrauchrecht, sodass er weiterhin die Mieteinnahmen behielt und wirtschaftlich abgesichert blieb. Durch diese lebzeitige Übertragung beginnt zugleich die sogenannte Zehnjahresfrist für die Pflichtteilsergänzung zu laufen. Stirbt der Ehemann also mehr als zehn Jahre nach der Übertragung, bleibt der Sohn selbst in Bezug auf Pflichtteilsergänzungsansprüche leer.

Ergänzend wurde das Testament angepasst: Sollte der Sohn dennoch innerhalb der Zehnjahresfrist Pflichtteilsergänzung verlangen, greift eine Pflichtteilsstrafklausel. Diese besagt, dass ein Kind, das nach dem ersten Todesfall seinen Pflichtteil verlangt, auch beim zweiten Todesfall enterbt bleibt – ein zusätzliches Druckmittel, um die Geltendmachung möglichst zu verhindern. Um den Sohn auch bei lebzeitiger Übertragung nicht zur Geltendmachung zu motivieren, wurde eine Lösung gewählt, bei der die Zuwendung an die Ehefrau bewusst so ausgestaltet wurde, dass kein „klassischer Pflichtteilsergänzungswert“ im Sinne des § 2325 BGB mehr entstehen würde.

Was zeigt dieser Fall? Dass es oft nicht die eine Patentlösung gibt – aber viele kreative Wege, die sich individuell kombinieren lassen. Er zeigt aber auch, dass solche Gestaltungen ein hohes Maß an juristischer Expertise erfordern. Denn jede Lösung birgt rechtliche Fallstricke, die sorgfältig bedacht werden müssen.

Und genau das ist meine Stärke: Ich liebe die kniffligen Fälle. Gerade dort, wo andere sagen: „Das geht nicht“, beginne ich, richtig kreativ zu werden. Wenn Sie also einen ähnlich komplexen Fall zu lösen haben oder einfach nur wissen möchten, wie Sie Ihr Erbe rechtssicher und nach Ihren Vorstellungen regeln können, dann lassen Sie uns sprechen.

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