
Seit Anfang 2022 gilt in Österreich ein neues Gesetz, das viel diskutiert wurde: das Sterbeverfügungsgesetz. Es regelt den Zugang zur assistierten Selbsttötung – also zu einer Form des begleiteten Suizids, die bislang in Österreich strafbar war. Was viele nicht wissen: Wer diesen Weg wählen will, muss eine Sterbeverfügung errichten. Doch was ist das genau, wer kann sie verfassen – und was bedeutet das ganz praktisch, auch für Menschen aus Deutschland?
1. Hintergrund: Warum gibt es in Österreich eine Sterbeverfügung?
Der Auslöser war ein Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2020. Das Gericht entschied, dass das generelle Verbot der Hilfe zur Selbsttötung verfassungswidrig sei. In der Folge wurde ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, der seit dem 1. Januar 2022 gilt.
Die gesetzliche Lösung: Ein streng geregelter und dokumentierter Prozess – mit verpflichtenden ärztlichen Beratungen und einer schriftlichen Sterbeverfügung, die bei einem Notar oder Rechtsanwalt errichtet werden muss.
2. Was ist eine Sterbeverfügung genau?
Die Sterbeverfügung ist ein offizielles Dokument, in dem eine Person festhält, dass sie von ihrem Recht auf assistierten Suizid Gebrauch machen möchte. Ohne diese Verfügung darf keine Apotheke das dafür vorgesehene Medikament ausgeben.
Die Verfügung darf nur freiwillig und höchstpersönlich erstellt werden. Sie ist rechtlich verbindlich und vergleichbar mit einer Patientenverfügung oder einem Testament. Das bedeutet auch: Sie kann nicht einfach durch eine formlose Erklärung ersetzt werden.
3. Wer darf eine Sterbeverfügung errichten?
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
- Volljährigkeit und Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person
- Das Vorliegen einer unheilbaren, zum Tod führenden oder chronisch schweren Krankheit
- Zwei unabhängige ärztliche Aufklärungsgespräche (einer der Ärzte muss palliativmedizinisch qualifiziert sein)
- Eine Wartefrist von 12 Wochen zwischen Beratung und Ausstellung (in besonderen Fällen 2 Wochen)
- Die Dokumentation durch Notar, Rechtsanwalt oder Patientenanwalt
4. Kann man als Deutsche oder Deutscher auch eine Sterbeverfügung in Österreich errichten?
Ja, grundsätzlich ist das möglich. Das österreichische Gesetz richtet sich nicht ausschließlich an österreichische Staatsbürger, sondern an alle Personen, die diese Voraussetzungen erfüllen und sich in Österreich aufhalten. Wer also in Deutschland lebt, kann zur Beratung und Errichtung der Verfügung nach Österreich reisen – vorausgesetzt, es liegen die oben genannten medizinischen und persönlichen Voraussetzungen vor.
Allerdings sollte man bedenken: Der gesamte Ablauf – inklusive der ärztlichen Beratungen, der Errichtung der Verfügung und der Abholung des Medikaments – muss in Österreich erfolgen. Auch die Einnahme erfolgt in der Regel dort. Wer eine solche Lösung in Betracht zieht, sollte sich daher sehr gut beraten lassen – nicht nur medizinisch, sondern auch juristisch.
5. Wie geht es nach der Sterbeverfügung weiter?
Nach den Beratungen und der Unterzeichnung wird die Sterbeverfügung in ein zentrales Register eingetragen. Erst dann darf eine Apotheke das tödlich wirkende Medikament herausgeben – in Österreich ist dies aktuell Natriumpentobarbital, ein stark wirksames Schlafmittel, das in hoher Dosis zum Tod führt.
Wichtig: Die Herausgabe des Medikaments verpflichtet nicht zur sofortigen Einnahme. Es darf zu Hause oder an einem Ort der Wahl aufbewahrt werden. Der Suizid muss nicht unmittelbar erfolgen. Die Entscheidung bleibt auch nach der Ausgabe vollständig freiwillig und kann jederzeit revidiert werden.
In der Praxis zeigt sich: Viele Menschen, die diesen Weg gehen, empfinden allein die Möglichkeit als beruhigend – und nicht alle nehmen das Medikament letztlich ein.
6. Warum diese Entwicklung auch für Deutschland bedeutsam ist
Auch in Deutschland ist das Thema assistierter Suizid in Bewegung. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 ist das generelle Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz aufgehoben. Ein neues Gesetz fehlt bislang. In der Folge besteht viel Unsicherheit – bei Ärzten, Apotheken und Betroffenen.
Die österreichische Lösung zeigt, dass eine strukturierte und kontrollierte Regelung denkbar ist. Aber sie zeigt auch: Ein solcher Weg ist komplex, beratungsintensiv und keineswegs einfach zugänglich.
7. Vorsorge bleibt wichtig – in jedem Fall
Auch wenn es in Deutschland derzeit keine Sterbeverfügung im rechtlichen Sinne gibt, bleiben andere Instrumente unverzichtbar:
- Patientenverfügung
- Vorsorgevollmacht
- Testament
Wer eigene Entscheidungen absichern will, sollte rechtzeitig vorsorgen. Nicht erst, wenn die Situation akut wird. Denn: Was geregelt ist, sorgt für Klarheit und Frieden – bei einem selbst und im Umfeld.
Ich berate Sie gerne zu den rechtlichen Möglichkeiten, die das deutsche Recht bietet. Und ich helfe Ihnen dabei, Ihre Vorstellungen verständlich und rechtssicher umzusetzen.
Rechtsanwältin Melanie van Luijn
Erbrecht • Vorsorge • Patientenverfügung